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Mein Name ist Elvira und ich bin die Mama von Gianluca* (+ 2011), Mattia, 7 Jahre (geb. 2012) und Francesca, 2 Jahre (geb. 2016). Mein Mann heißt Christian und zusammen meistern wir den ganz normalen Alltag, der ab und an mit einigen Hürden gespickt ist. Aber da kann wohl jeder so seine Geschichte zu beisteuern.

2010 haben wir unseren ersten Sohn, Gianluca, in die Arme nehmen dürfen. Leider wurden die ersten Glücksmomente sehr schnell von Sorge und Angst überschattet. Gianluca hatte einen schweren Herzfehler (zusammengefasst war er ein Hypoplast und hatte HLHS) und musste sehr schnell intensivmedizinisch behandelt werden. Insgesamt musste Gianluca 5 Herzkatheter – Eingriffe, 2 OP’s am Herzen und eine Tracheotomie über sich ergehen lassen, bevor er mit 4 Monaten und 4 Tagen in meinem Arm und im Beisein seiner Familie friedlich einschlafen durfte. Er hat gekämpft, er hat alles gegeben, aber leider war es ihm und uns nicht vergönnt mehr Zeit miteinander zu verbringen. Wir sind dankbar, für die intensive Zeit, die wir mit ihm haben durften und tragen ihn und die Erinnerung an unsere Zeit sicher in unserem Herzen.

Während meiner zweiten Schwangerschaft erhielt ich, aufgrund des Herzfehlers von Gianluca, einen frühzeitigen fein diagnostischen Ultraschall und einen regulären. Der reguläre war in der 20. SSW. Zu diesem Zeitpunkt war Christian, der im Mai 2011 einen Motorradunfall hatte (man hatte ihm die Vorfahrt genommen und er konnte leider weder ausweichen noch reichte der Bremsweg aus, obwohl er die erlaubte Geschwindigkeitsbegrenzung nicht ausgefahren hat) und sich beide Hände gebrochen hatte, in einer Rehabilitationsmaßnahme, so dass ich mit meiner Mutter dort war.

Mattia kurz nach der Geburt

Der Ultraschall wurde sehr genau und sehr lange durchgeführt. Mir wurde es schon etwas mulmig. Da sagte der Pränataldiagnostiker dann, dass er weder am Herzen noch an den Extremitäten, dem Nasenbein oder den Füßen etwas Besonderes erkennen würde, der Junge aber einen leichten Hydrothorax hätte. Das könnte ein Hinweis auf eine Trisomie sein, wobei alle anderen Softmarker dagegen sprechen würden. Das Thema der FWU wurde kurz angesprochen. Diese lehnte ich aber sofort ab, da für uns von Anfang an klar stand, dass wir eine Schwangerschaft nicht abbrechen würden, egal welche Gründe es dafür geben mochte, unser Kind sollte nicht durch uns, sondern sollte selbst entscheiden, ob es lebt oder nicht. Unser Wunsch war es, natürlich, ihn im Januar 2012 in unseren Armen halten zu dürfen. Diese Entscheidung wurde von den Ärzten zu keiner Zeit angezweifelt, wir wurden nicht mehr auf dieses Thema angesprochen und wurden in unserer Entscheidung sehr gut unterstützt.

Zwei Wochen später wurde nochmal nach dem Hydrothorax geschaut. Das Thema der Trisomie war für mich tatsächlich noch nicht akut, aber vor dem Hydrothorax hatte ich schon Angst. Es zeigte sich aber ein unverändertes Bild und so wurde ich etwas ruhiger. Trotz allem sollte ich engmaschig zum U-Schall, damit Herz und Lunge keinen Schaden nehmen würden.

"Ich bin ein Kämpfer!"

Im Oktober 2011, einen Tag nach Gianlucas erstem Geburtstag, war die Flüssigkeit so extrem vermehrt, dass Herz und Lunge schon ganz nach rechts gedrückt wurden. Das war für Mattia eine sehr gefährliche Situation und es wurde auch schnell reagiert. Zwei Tage später wurde ich eingewiesen, die Lungenreife-Therapie wurde begonnen. Einen Tag später der Eingriff, bei dem Mattia eine Betäubung in den Po gespritzt bekam und dann einen Pigtail – Katheter in den Brustkorb gesetzt bekam. Dieser sollte die Flüssigkeit aus dem Brustkorb ins Fruchtwasser transportieren. Das funktionierte zum Glück sehr gut. Ich musste noch zwei Tage strikte Bettruhe einhalten, da die Nadel doch etwas dicker war, mit der durch die Fruchtblase in seinen Brustkorb gestochen wurde. Da dies der Fall war, wurde auch im gleichen Zuge Fruchtwasser für eine Chromosomenanalyse gezogen, da es sich nun „anbot“ und wir somit eine gewisse Sicherheit bekommen konnten, was eine Trisomie anbelangte.

Mama Elvira beschützt mich!

Die U-Schalls der nächsten Tage zeigten, der Katheter saß gut und machte seine Arbeit, Mattia war also zunächst einmal sicher. Das Ergebnis der Analyse bekam ich 3 Tage später telefonisch mitgeteilt, wie es vereinbart war. Das 21. Chromosom war dreimal vorhanden und somit hatten wir die Bestätigung, Mattia hat Trisomie 21. Ich war auf der Arbeit und habe tatsächlich auch weiter gearbeitet, im Grunde genommen war für mich doch nur wichtig, dass der Katheter gute Arbeit leistete, und das macht er.

Zu Hause angekommen habe ich dann angefangen unsere Familien zu informieren. Christian kam auch bald nach Hause und innerhalb von 3 Stunden hatten wir die Diagnose erhalten, die wichtigsten Familienmitglieder informiert und dann den Kopf frei um uns neu zu sortieren. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde wir haben “Juhuuuu” gesagt! Natürlich wäre es mir lieber gewesen, unser Sohn würde es „vermeintlich“ leichter im Leben haben. Aber wir haben uns vor den Schwangerschaften schon mit diesem Thema auseinandergesetzt, sodass nun auch kein Schock aufkam. Ich habe mein Kind im Bauch zu keiner Zeit mehr oder weniger geliebt, weil es plötzlich eine Diagnose gab. Denn hey, es war weiterhin Mattia, mein Mattia! Aber mein Beschützerinstinkt der wurde doch ganz arg verstärkt. Und scheinbar nicht nur meiner.

Meine Mutter z. B. rief mich, nachdem ich Sie informiert und aufgelegt hatte, prompt erneut an und sagte mit einer Überzeugung in der Stimme: Und damit das klar ist, Mattia wird geliebt wie jedes andere Kind hier! Meine Schwiegermutter schaute mich nur an und sagte: Und wo soll jetzt das Problem sein?

Ist was?

Das ist übrigens das, was uns zu mindestens 95 % entgegengebracht wurde: Akzeptanz unserer Entscheidung und Mattia gegenüber!

Unsere offenherzige Art mit der Diagnose umzugehen hat sicher viel dazu beigetragen. Jeder wusste, wie er uns zu nehmen hatte. Ich denke, dass hat unserem Umfeld geholfen mit dieser besonderen Situation richtig umgehen zu können. Definitiv gab es einige wenige, die auch Mitleid mit uns hatten, aber auch diesen Menschen konnten wir schnell klar machen das Mattia kein Grund ist, um Mitleid mit uns zu haben. Im Gegenteil wir haben um Ihn gebangt und gehofft, dass der Eingriff nachhaltig helfen möge.

Ein paar Tage nach der Diagnose begann ich mich zu belesen, leitete die ersten Maßnahmen, die mir nach der Geburt wichtig erschienen, in die Wege und stieß oft auf ein Schmunzeln wenn ich Termine für meinen noch nicht geborenen Sohn machte. Aber ich stieß nie auf Unverständnis und habe schon zu dem Zeitpunkt nur positive Reaktionen erfahren.

Die restliche Schwangerschaft fuhr ich noch zweimal mit gepackten Koffern nach Köln. Jedes Mal war die Flüssigkeit kurz vor einem weiteren Eingriff wieder im ungefährlichen Bereich. Es war eine emotional anstrengende Schwangerschaft und zum Ende hatte ich sehr viel Angst das Mattia es doch nicht schaffen könnte. Aus dem Grund wurde ich vorzeitig in der Frauenklinik Köln aufgenommen. So wurde Mattia engmaschig überwacht und ich hatte ein besseres Gefühl.

Am 02.01.2012 um 3:25 Uhr erblickte Mattia nach einer, wiederum emotional anstrengenden Geburt, mit vielen Herztonabfällen und Untersuchungen an Mattia unter der Geburt, auf natürlichem Wege das Licht der Welt. Er hat geschrien, er wurde mir in den Arm gelegt, mein Mann durfte die Nabelschnur abtrennen und danach wurde er direkt medizinisch versorgt.

Sein Start ins Leben war holprig, aber es begann in unseren Armen! Dieser eine kleinen Augenblick reichte uns aus, um uns sofort in dieses wunderbare Baby, unser wunderbares Baby, zu verlieben.

Glücklicherweise konnte ich viel Zeit auf der Neo-Intensiv bei und mit ihm verbringen. Nach 6 Tagen durften wir schon auf die Intermediate wechseln und ich durfte rund um die Uhr mit Ihm verbringen. Weitere 3 Tage später waren wir auf dem Weg nach Hause. Zu Hause haben wir von Anfang an einen wunderschönen Start gehabt in der wir die gemeinsame Zeit einfach nur genossen haben. Mattia bekam viel Besuch und es gab keine erkennbaren Berührungsängste seitens unseres Umfeldes.

Mattia mit Toniebox

Dies ist bis heute so geblieben. Einschränkungen, aufgrund Mattias Behinderung, können wir nicht feststellen. Natürlich braucht Mattia mehr Unterstützung als Kinder ohne Trisomie 21, aber das ist für uns kein Grund ein anderes Leben zu führen.

Heute, Mattia ist nunmehr 7 Jahre jung, führen wir ein ganz normales Familienleben. Einen Tag in der Woche hat Mattia Ergotherapie und Logopädie und die restlichen Tage ist er ein Schulkind mit einer kleinen zweijährigen Schwester, Mama und Papa.

Mattia und Francesca

Mattia zeigt uns jeden Tag aufs Neue wie richtig unsere Entscheidung für ein Leben mit ihm, so wie er ist, war. Er erfüllt unser Leben mit sehr viel Liebe, Lachen, wunderbaren neuen Momenten. Ebenso kann er, wie jedes andere Kind auch, stur, bockig, trotzig sein. Auch das gehört dazu und muss so sein. Er entdeckt sich und die Welt immer wieder aufs Neue und liebt das Leben und seine Familie, wozu er nicht nur uns, sondern auch all seine Verwandten zählt. Wissbegierig und ehrgeizig wie er ist, schafft er es jedes Mal uns zu überraschen mit dem, was er schon kann und wie er sich jetzt schon sehr viel Selbstständigkeit erarbeitet.

Mattia und Francesca reiten

Wir fahren in den Urlaub, für beide Kinder etwas sehr Wichtiges. Verbringen viel Zeit mit der Familie und Freunden. Mattia fährt Laufrad, am liebsten mit seiner kleinen Schwester um die Wette, fängt an Ski zu fahren, spielt gerne draußen, liebt Waldspaziergänge, auf denen er viel erkunden kann. Er liebt die Intensivwochen in Leutkirch, weil er dort 5x die Woche Reiten kann.

1. Schultag!

Der Regelschulbesuch klappt von Anfang an sehr gut. Mattia ist toll integriert und hat Spielbesuch ebenso wie er bei Freunden eingeladen wird.

Mattia lernt lesen, schreiben, zählen, rechnen wie jedes andere Kind auch. Er lernt das alles in seinem Tempo und ziemlich gut. Einfache Texte kann er schon ohne Probleme lesen. Er schreibt die ersten Sätze, die er diktiert bekommt schon recht sicher, ebenso bewegt er sich im 20er Zahlenraum und zählt darüber hinaus ohne die Finger hinzuzunehmen. Das sind alles Sachen, die habe ich so irgendwie nicht wirklich erwartet. Was aber wohl noch viel wichtiger ist: Ich habe ihm diese Fähigkeiten aber auch nie abgesprochen.

Für uns ist und war es immer wichtig, dass wir Mattia nicht dadurch behindern, dass wir ihm etwas nicht zutrauen. Deshalb sagen wir ihm auch immer wieder: Versuche es, wenn es nicht klappt, dann helfen wir dir, wir sind hier, du bist nicht alleine! Das gibt ihm Selbstvertrauen und bestärkt ihn positiv.

Ach ja, Biker bin ich natürlich auch!

Das allerwichtigste für uns ist: Mattia ist glücklich! Er ist glücklich, liebt sein Leben und das was er macht. Er bringt soviel Wärme und Farbe mit sich, dass ich mittlerweile ganz klar sagen kann: Er hilft mir mehr als ich ihm helfen kann. Einfach weil er ist, wie er ist. Es gibt für mich keinen Menschen auf dieser Welt, der mehr Empathie besitzt und der so aufmerksam seinem Gegenüber ist wie Mattia. Mattia liebt bedingungslos und genauso bedingungslos lieben wir ihn.

Das alles waren für mich auch Gründe, warum ich mich auch in der dritten Schwangerschaft gegen invasive und nicht invasive Untersuchungen des Chromosomensatzes entschieden haben. Für uns war glasklar, wir bekommen unser Kind, ohne Wenn und Aber, weil es unser Kind ist und nicht irgendein Chromosomensatz oder eine Diagnose!

Sind wir nicht ein tolles Team?

Francesca hat uns dann im August 2016 komplett gemacht. Mattia war zunächst etwas skeptisch, seiner kleinen Schwester gegenüber, was sich aber bis heute total geändert hat. Die beiden können sich in der einen Sekunde fürchterlich streiten, um sich in der nächsten gegen uns Eltern zu verbünden und daraufhin dann zusammenzuspielen oder aber Laufrad zu fahren. Halt ganz normale Geschwister, so wie wir auch eine ganz normale Familie sind.

Mattia, ein ganz normaler JungeElvira Tindara Cusmá-Sternhagen